Physiotherapie nach Schlaganfall
Jedes Jahr erleiden in Deutschland ca. 200.000 Menschen einen Schlaganfall. In Österreich liegt die Zahl bei ca. 24.000 Menschen pro Jahr, damit ist der Schlaganfall oder die Hirnblutung die Hauptursache für eine Behinderung im Erwachsenenalter und gleichzeitig eine der häufigsten Todesursachen. Gleich nach Infektionskrankheiten wohlgemerkt, weltweit.
Bei den Überlebenden bleibt nach den Rehamaßnahmen bei einem Drittel der Betroffenen eine Behinderung zurück. Das kann eine Halbseitenlähmung, eine Wahrnehmungsstörung (z.B. Neglekt, Pusher-Symptomatik), Konzentrationsstörungen, Einschränkungen in der Handlungsplanung (Apraxie) oder Sprachstörungen (Aphasie) sein.
In der Regel wird ambulante Physiotherapie ein Leben lang verordnet, da diese ein wesentlicher Bestandteil zur Verbesserung der Bewegung und der Teilhabe im Alltag ist. Denn Sie müssen wissen, das Gehirn kann sich bei entsprechenden Reizen umorganisieren. D.h. die Funktionen einer, durch einen Schlaganfall geschädigten Hirnregionen, kann durch andere Areale teilweise übernommen werden. Das regeneriert sich sozusagen teilweise selbst. Plastizität des Gehirns
Der erste Punkt für die Therapie ist, Ziele zu definieren.
- Was möchten Sie erreichen?
- Was sind Ihre Ziele?
- Was möchten Sie wieder können?
- Wie möchten Sie im Besonderen am Leben wieder teilhaben?
Ist es, wieder im Garten arbeiten zu können, sind es Theaterbesuche, ist es das Spielen mit den Enkeln oder ein bestimmtes Hobby? Wir besprechen, welche Funktionen für Ihre Lebenssituation relevant sind, um eine möglichst effektive Behandlung zu gewährleisten und dieses Ziel möglichst effizient zu erreichen. Gleichzeitig helfen Ihnen diese Ziele, sich zu motivieren. Ein Mann mit einem großen Schnurrbart hat einmal geschrieben: „Hat man sein Warum des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem Wie.“
Wie erkenne ich Fortschritte?
Ziele geben auch immer eine Standortbestimmung. Wir können Ihre Erfolge messen, und das ist nicht nur für uns Therapeuten wichtig, damit wir etwas zum Dokumentieren haben, sondern auch für Sie. Je konkreter und klarer diese Ziele definiert sind, desto besser können Sie selbst die Fortschritte erkennen und sich an diesen erfreuen. Diese Freude erzeugt ein Momentum der Motivation und des Ansporns, die nächste Aufgabe anzugehen. Sie sehen, es bewegt sich etwas in Ihrer Situation. Dieses Momentum kann Ihnen auch einmal dabei helfen, mit Resignation oder Frustration bei Misserfolgen oder Stagnation umzugehen, oder wenn es Ihnen gerade doch zu langsam geht.
Wie wählt Ihr Therapeut die Behandlungsmaßnahmen aus?
Sie geben mir als Behandler auch Tipps, wo und wie ich bei Ihnen ansetzen kann, auf welche Bewegungsmuster ich in der Behandlung zurückgreifen kann, was Sie motiviert, weil Sie Bewegungsmuster sehr gut kennen oder bei einem Hobby nutzen. Wir können auch gemeinsam äußerst zielgerichtet daran arbeiten, welche Aufgaben Ihnen wieder übertragen werden können. Viele kleine Puzzlesteine ergeben ein Ganzes.
Rasenmähen ist ja nicht nur Gehen und etwas vor sich Herschieben; es ist auch das Mähen der Ecken, wobei Sie stehen und gleichzeitig den Rasenmäher vor- und zurückbewegen müssen, das Ganze mit einer Rotation im Körper. Eine Bewegung, die Sie vielleicht kennen und die wir nutzen können. Oder das Nähen: Sie kennen die Bewegungsabläufe, und diese können wir nutzen. Die Stiche sind dann momentan vielleicht nicht so fein wie damals, aber Sie wissen, was zu tun ist.
Dieses Wissen über Sie sind wertvolle Ressourcen für uns Therapeuten. Es kann auch das Malen sein: Sie greifen auf alte Erfahrungen zurück, Sie wissen, wie stark Sie mit dem Pinsel aufdrücken müssen, wie die Striche aussehen. So haben Sie eine direkte Rückkopplung und lernen viel einfacher.
Aber wie geben wir dem Gehirn die besten Vorraussetzungen, um sich zu regenerieren?
Das LernenWie bereits oben dargestellt, sind Ziele sehr wichtig. Da das Gehirn zielorientiert bzw. aufgabenorientiert arbeitet und lernt, sollten diese Ziele klar und konkret formuliert sein. Hierzu kann man verschiedene lernpsychologische Strategien anwenden und die Klienten zu zielgerichteter, wiederholter aktiver Bewegung anleiten. Und hiermit muss nicht zwingend ein stupides Abarbeiten von Übungen bzw. Aufgaben gemeint sein.
Manchmal können es auch sehr kleine Einheiten sein. Da es verschiedene Phasen des motorischen Lernens gibt, müssen die Maßnahmen immer wieder an die Voraussetzungen und das Können der Klienten angepasst werden.
Wie wird therapiert?
Möglichst aktiv!
Für die Bewegungskontrolle und Selbstständigkeit sind aktive Physiotherapieansätze den passiven Maßnahmen, bei denen Sie nichts tun müssen, wie Massagen etc., deutlich überlegen.
Die Aufgaben, die ich mit meinen Patienten übe, sind durchaus unterschiedlich und reichen vom Aufstehen, Hinlegen, Umsetzen, über Hilfsmittelberatung und -anwendung, Gangtraining, Armtraining bis zum Üben der Greiffunktion.
Das Modell „Die Ergo macht die Arme und die Physio die Beine“ finde ich persönlich immer etwas zu kurz gegriffen. Sie möchten zum Beispiel eine Kiste vom Boden aufheben. Jetzt haben Sie fleißig den Arm trainiert, aber keine Physiotherapie für den restlichen Körper erhalten. Nanu!? Was machen Sie denn jetzt? Jetzt können Sie diese Kiste greifen, aber das In-die-Hocke-Gehen wurde ja gar nicht geübt. Ich weiß, das ist ein etwas überspitztes Beispiel, aber in Teilen nicht sonderlich weit entfernt von der Realität. Das kann es ja nicht sein.
Beides gehört zusammen; von daher lässt sich der Körper nicht so einfach in die untere und obere Hälfte unterteilen. Ich übe mit meinen Patienten immer beides. Wenn ich beim Beispiel mit der Kiste bleibe, dann kann ich das Aufheben im symmetrischen Stand, in Schrittstellung, auf einer instabilen Unterlage, auf einer Schräge usw. üben. Die Kiste kann aber auch ein Kugelschreiber oder ein zu Boden gefallener Handstock sein.
Mein Ziel ist es, dass Sie mit all diesen Situationen zurechtkommen.
Das Greifen wird im Sitzen, im Stehen, im Liegen, vielleicht sogar im Knien geübt. Ob nun für die Anbahnung, Stabilisierung der Funktion oder für die Feinmotorik. Ob Sie einen Handstock in der betroffenen Hand halten, eine Apfelsine greifen möchten oder aus Ihrem Schlüsselbund einhändig den Wohnungsschlüssel zum Aufschließen heraussortieren möchten, es könnte z.B. mit einem Ball, Stab, Münzen, Stift oder einem rohen Ei gearbeitet werden, je nachdem, was gerade sinnvoll ist, damit Sie möglichst selbstbestimmt leben und teilhaben können.
Warum ein rohes Ei?
Nun, ich habe in der Klinik häufig Patienten mit bereits beginnender Greiffunktion behandelt. Diese Greiffunktion war allerdings häufig sehr grob, bzw. die Kraft konnte nicht sehr gut dosiert werden. Zum Glück gibt es in Kliniken Küchen. Dort habe ich mir ein rohes Ei besorgt und den Patienten darauf hingewiesen: „Schauen Sie, hier ist ein rohes Ei. Legen Sie dieses rohe Ei von hier nach dort.“
Und was geschah?
Die Patienten griffen auf alte, ihnen bekannte Muster zurück – „Aah, rohes Ei, empfindlich!“ – haben ihren Druck automatisch angepasst, und ich habe es nie erlebt, dass ein Patient ein Ei zerdrückt oder fallen gelassen hat.
Wie bereits gesagt: Erfahrung & Feedback.
Gleiches kann man mit dem eigenen Schlüsselbund des Patienten probieren;
die vorerst spastische Hand kann sich mit Chance entspannen.
Das Gehirn macht halt verrückte Dinge.
Denken Sie nur an Menschen, die mal eben im Kopf zwei achtstellige Zahlen multiplizieren können.
Schon einmal probiert?
Das Gehirn ist wirklich ein faszinierendes Organ!
Gleiches kann man mit dem eigenen Schlüsselbund des Patienten probieren; die vorerst spastische Hand kann sich mit der Chance entspannen. Das Gehirn macht halt verrückte Dinge. Denken Sie nur an Menschen, die mal eben im Kopf zwei achtstellige Zahlen multiplizieren können. Schon einmal probiert? Das Gehirn ist wirklich ein faszinierendes Organ! Wenn wir gemeinsam beispielsweise Ihre grundlegende Gehfähigkeit erarbeitet haben, fängt auch hier die Therapie erst richtig an.
Sie üben,
- schnell zu gehen,
- langsam zu gehen,
- vorwärts,
- rückwärts,
- seitlich,
- bergauf,
- bergab;
- das Gehen wird mit Zusatzaufgaben kombiniert.
Den Ideen sind hier kaum Grenzen gesetzt. Ich möchte für Sie erreichen, dass Sie sich möglichst sicher und ohne Angst in Ihrem Umfeld bewegen können. Und wenn Sie auf einer sehr unebenen Wiese bergauf oder bergab gegangen sind oder einen Parcours mit Hindernissen und instabilen Unterlagen absolvieren können, dann wird Sie eine Bordsteinkante im Alltag nicht mehr schrecken.
Als Therapeut ist es meine Aufgabe, die Aufgabenstellungen so fein wie nötig für Sie individuell aufzuteilen, sodass Sie immer einer kleinen Herausforderung gegenüberstehen, aus der Sie lernen können, ohne überfordert zu sein und aufzugeben, noch das Sie sagen: „…geht eh…“. Und die Anzahl der Zwischenschritte, in die wir das gesteckte Ziel aufteilen, kann individuell sehr unterschiedlich sein.
Die Strecke zum nächsten Supermarkt können wir z. B. in km, in Meter, cm, mm, Yards oder Fuß denken. Das sind vollkommen unterschiedliche Zwischenschritte.
Zusammenfassung
Also gehen Sie es an und suchen Sie sich eine passende Physiotherapeutin oder einen Physiotherapeuten, der auf Schlaganfälle oder Hirnblutungen spezialisiert ist. Fangen Sie an, an Ihrer Lebensqualität zu arbeiten. Ob in einer Praxis oder mit einer mobilen Physiotherapie bei Ihnen zuhause.
Sollten Sie in Wien oder Umgebung wohnen, würde ich mich natürlich freuen, wenn Sie bei mir anrufen.
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