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Welche Therapiekonzepte für neurologische Erkrankungen gibt es?

von Christian Schroth Physiotherapeut

In der Neurologie werden bei Schlaganfall, Schädelhirntrauma oder Hirnblutung üblicherweise verschiedenste Therapiekonzepte zur physiotherapeutischen Behandlung eingesetzt. Die Ansätze sind unterschiedlich und nicht jedes Konzept ist für jedes Beschwerdebild und jeden Patienten per se geeignet. Die isolierte bzw. dogmatische Betrachtung und Bewertung von Therapiekonzepten ist problematisch, da sich eine optimale Therapie aus einer Mischung verschiedenster Ansätze je nach Stadium zusammensetzen sollte, um den bestmöglichen Fortschritt zu gewährleisten. Um Ihnen einen Überblick zu verschaffen, werde ich in einer kleinen Serie nach und nach die aktuellen Behandlungsmethoden mit Vor- und Nachteilen sowie Anwendungsgebieten vorstellen. So finden Sie für sich oder Ihren Angehörigen die richtige Therapie.

Im ersten Teil geht es um die Grundlage, die die Therapiefortschritte nach einer Schädigung des Nervensystems ermöglicht:

Die Plastizität des Gehirns

Durch eine Schädigung des Gehirns, sei es durch Schlaganfall, Hirnblutung oder sonstige Schädigung, verlieren nicht nur direkt betroffenen Hirnareale ihre Funktion, sondern es können auch weiter entfernte Regionen vom Ausfall betroffen sein.

Allzu oft wird immer noch von einem endgültigen Verlust der „alten Funktion“ gesprochen, doch das Gegenteil ist der Fall. Unser Körper ist in der Lage, Schäden teilweise zu kompensieren und sich in gewissen Grenzen quasi selbst zu reparieren. Die Funktion der geschädigten Hirnareale wird hierbei durch andere intakte Regionen übernommen. Die Gesetzmäßigkeiten bei der Erholung von einer Schädigung haben hierbei Ähnlichkeit mit der Entwicklung eines gesunden Kindes.

Gleiche Effekte können wir beim normalen Lernen beobachten. Auch im höheren Alter sind wir noch in der Lage, neue Dinge zu erlernen, seien es Sprachen, ein neues Hobby oder neue Bewegungen (ein neuer Schwimmstil, z.B. Kraulen). Das Gehirn strukturiert und organisiert seine Nervenzellen neu, um die neue Aufgabenstellung zu bewältigen.

Die wichtigsten Punkte für den Lernerfolg sind die persönliche Motivation und die Nützlichkeit des neu zu Lernenden. Denn je lieber und häufiger wir eine neue Funktion nutzen, desto schneller erlernen wir sie oder können sie weiter ausbauen.

Welche Bewegung wäre für Sie hilfreicher? Eine Tasse vor sich auf dem Tisch von links nach rechts und wieder zurück zu stellen oder eine Weintraube von einem Teller zu nehmen und zum Mund zu führen? Letzteres könnten Sie tagtäglich nutzen und die Therapieeinheit würde Ihnen kaum als solche auffallen.

Weiters gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Anpassungsfähig des Gehirns nach einem Schlaganfall. Bewegung kann vorbeugend gegen einen Abbau der Hirnleistung wirken sowie auch therapeutisch eingesetzt werden.

Deshalb gilt:


  • Stecken Sie mit Ihrem Therapeuten oder Ihrer Therapeutin möglichst realistische und konkrete Ziele ab. „Welche Fertigkeit, die Sie wiedererlangen möchten, zählt zu Ihren Prioritäten?“

  • Bleiben Sie in Bewegung! Ob auf einem Ergometer, mit einem Gymnastikprogramm oder zusammen mit Ihrem Therapeuten oder Therapeutin.

Die Therapie endet nicht nach der Entlassung aus der Stroke Unit und der Ist-Zustand lässt sich auch danach weiter verbessern.

Hier ein paar Anhaltspunkte:

  • In der Frühphase nach einer Hirnschädigung empfehlen sich 30-45 Min.-Therapieeinheiten an 4-5 Tagen der Woche zur deutlichen Verbesserung der Bewegung, bzw. diese bestmöglich zu Beschleunigen.

  • Im chronischen Stadium (die Schädigung liegt länger als ein Jahr zurück) hängt die optimale Trainingsfrequenz von der Geschwindigkeit der Fortschritte ab sowie auch von einer eventuellen Verschlechterung nach dem Absetzen der Therapie.

  • Nutzen Sie regelmäßige Therapieeinheiten, 1-3 Mal die Woche.

  • Machen Sie einmal im Jahr eine Mini-Reha mit mind. 3-5 Therapieeinheiten pro Woche mit einem Physiotherapeuten, die 6-8 Wochen dauert, um intensiv an Ihren Beschwerden oder Einschränkungen zu arbeiten und ein Heimübungsprogramm aufzustellen.

  • Manchmal sind aber auch größere Therapieabstände sinnvoll, um ein Übungsprogramm regelmäßig auf eine korrekte Ausführung zu prüfen, Übungen anzupassen oder den Übungsplan umzustellen.



Es sind zum Teil beachtliche Erfolge bei Patienten mit länger als 10 Jahre zurückliegenden Schlaganfällen und Hirnblutungen zu beobachten.

Sprechen Sie mit Ihrem Physiotherapeuten oder Ihrer Physiotherapeutin.

Im nächsten Teil stelle ich Ihnen die "Constraint Induced Movement Therapy" vor.