Fußschmerzen | Wenn Schritte schmerzen - 2020 (Teil 1: Häufige Ursachen)
Kaum einem Körperteil wird so wenig Aufmerksamkeit geschenkt, wie unserem Fuß. Doch Füße sind viel mehr als nur das untere Ende unseres Körpers. Sie sind unser Fundament und genau deshalb ist ihre Mobilität und Stabilität für uns so wichtig. Nicht selten sind unsere Füße der Auslöser für Knieschmerzen, Hüft- oder Rückenbeschwerden, weil sie unsere gesamte Haltung beeinflussen und auch unser Gleichgewicht ist stark von Ihnen abhängig. Ob Sie nun Läufer sind, Sie eine Gangunsicherheit haben oder Gelenkbeschwerden, es könnte sich für Sie auszahlen, den Blick einmal bewusst auf Ihre Füße und Zehen zu lenken.
Verbessern Sie ihr Gleichgewicht, unternehmen Sie etwas gegen Ihren Senkfuß-Spreizfuß, Knickfuß, Plattfuß, Hallux valgus, Fersensporn, Ihr Läuferknie, Schienbeinkanten-Syndrom uvm.

Wodurch entstehen Fußfehlstellungen?
Von der Evolution her sind unsere Füße darauf ausgelegt, den Untergrund, auf dem wir gehen, auszugleichen. Barfuß gehen auf unebenem Untergrund oder Sand ist der natürliche Trainingsreiz für unsere Füße. Unsere Städte sehen jedoch anders aus. Hier finden wir fast ausschließlich möglichst glatte Gehwege und Straßen vor. Der Reiz für eine körperliche Anpassung fehlt also.
Zusätzlich verändert das stetige Tragen von festen oder hohen Schuhen unsere Körperstatik. Durch den festen Halt des Schuhwerkes, verkümmert die an sich für die Stabilität des Fußes verantwortliche Muskulatur, die Ferse kippt nach innen,
das Fußgewölbe
flacht dadurch ab - es entsteht ein Plattfuß. Wenn zusätzlich noch die Zehen versuchen, die Veränderung auszugleichen, indem sie sich auffächern, entsteht der Spreizfuß.
Solche Fußfehlstellungen können sich über das Knie und die Hüfte in
der
gesamten Wirbelsäule auswirken. Die veränderte Haltung kann bis zu Nackenschmerzen oder Kiefergelenkbeschwerden führen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Hallux valgus. Auch hier sind über Jahre getragene zu enge und zu hohe Schuhe die Ursache. Die engen Spitzen der Schuhe zwingen die Zehen in eine unnatürliche Richtung und der Fuß passt sich an die vom Schuhwerk vorgegebene Form an. Die mechanische Dauerreizung durch den Schuh am Ballen des Großzehengelenk führt im Zuge dessen zu Schwellungen und kann in einer Schleimbeutelentzündung enden. Nach Jahren kommt es dann häufig zur Bildung neuer Knochenmasse an dieser Stelle, ein sogenanntes Überbein. Durch eine Fortleitung der bereits am Großzeh bestehenden Probleme nach oben, folgen weitere Beschwerden.
Natürlich gibt es soziale Normen, die es nicht zulassen würden, einfach barfuß in die Arbeit zu gehen. Stellen Sie sich einmal einen barfüßigen Bankberater im Anzug vor. Nichtsdestotrotz haben wir eine verschiedene Optionen! Wähle ich ein gutes Paar Schuhe oder nicht?
Wie wirken sich Fußfehlstellungen aus?
Da Fußfehlstellungen gewöhnlich mit einer zu schwachen Muskulatur einher gehen, kommt es häufig zu erhöhten Belastungen auf der Fußsohle. Dies kann nicht nur für ansonsten gesunde Menschen ein Problem darstellen, insbesondere Typ 1 Diabetiker und ältere Menschen mit Typ 2 Diabetes sind hier betroffen. Die Sensibilität des Fuße nimmt ab, die deutlich mehr belasteten Stellen am Fuß werden nicht wahrgenommen und können folglich zu gefährlichen Druckstellen führen. Ein weitere Auswirkung von Fußfehlstellungen sind instabile Verhältnisse im gesamten Fuß, das kann sich z.B. durch häufigeres „Umknicken“ äußern.
Kann sich eine Fußfehlstellung auch auf das Knie auswirken?
Ja! Das Kniegelenk ist nicht nur ein Scharniergelenk, sondern es nutzt für seine optimale Funktion eine leichte Rotation. Genauer gesagt, wenn Sie ihr Knie beugen, dann rotiert der Oberschenkel nach außen und der Unterschenkel andererseits nach innen. Deshalb hat das Knie auf der Innen- und der Außenseite unterschiedliche Gelenkflächen. Die innere ist ein flaches Kugelgelenk, die äußere ein Sattelgelenk, d.h., auf der Außenseite kann das Gelenk gleiten, während die Innenseite den Drehpunkt darstellt. Deshalb ist der innere Meniskus nicht nur an den Enden, sondern auch zur Mitte hin mit dem Innenband verbunden. Im Gegensatz hierzu ist der Außenmeniskus nur an den „Halbmondenden“ befestigt, um die Außenseite des Kniegelenkes frei gleiten lassen zu können. Wenn diese Funktion z.B. durch eine Fußfehlstellung umgekehrt wird und vom inneren Meniskus verlangt wird, sich mehr zu bewegen, dann führt dies anfangs gewöhnlich zu Schmerzen am inneren Seitenband und später zu einem Innenmeniskusschaden.
Ein abgesunkenes Fußgewölbe oder beim Gehen zu sehr nach außen zeigende Füße, womöglich noch mit einer schwachen und zu langen Gesäßmuskulatur durch zu vieles Sitzen oder Inaktivität, kann sehr rasch zu Knieschmerzen bzw. vermehrter Abnutzung im Kniegelenk führen.
Aber was muss ein gesunder Fuß können?
Im Grunde sind es drei Funktionen, die ein Fuß beherrschen sollte:
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Die Ferse sollte stabil in einer aufrechten Position bleiben können.
Hierzu benötigen wir einen gut arbeitenden Tibialis posterior und eine unterstützende Achillessehne.
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Der Mittelfuß sollte sich verwringen können.
Gesunde Füße sollten im Mittelfuß zwischen 9-12° rotieren können. In der Praxis jedoch sehen wir bei Erwachsenen häufig nur ein mögliches Bewegungsausmaß von 1-3° Rotation zwischen dem Talus und dem Navikulare bzw. Cuboid. Sollte diese Flexibilität nicht vorhanden sein, passt sich der Körper an bzw. holt sich die geforderte Mobilität in einem anderen Gelenk - meistens in einem Gelenk, welches nicht für diese Belastung ausgelegt ist.
Diese häufig anzutreffende Steifigkeit im Mittelfuß erfolgt, weil wir die Flexibilität im Fuß durch die ebenen Böden nur selten benötigen und hierdurch die Fußmuskulatur und Mobilität nicht gefordert wird. Sollten wir unseren Füßen aber doch wieder etwas mehr abverlangen, fehlt eben diese Flexibilität und führt zu Problemen.
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Der Vorfuß sollte muskulär im Quergewölbe federn können.
Hier sind die lumbrikale Muskulatur und die kurzen Fußmuskeln wichtig. D.h., die intrinsische Muskulatur soll aktiviert und die lange Muskulatur in ihrer Aktivität heruntergefahren werden.
Welche konservativen Behandlungen sind sinnvoll?
Neben der klassischen Physiotherapie, werden sehr erfolgreich Übungen aus der Spiraldynamik und auch Kinesio-Tape verwendet, um die Fußfehlstellungen zu verbessern. Aber eine der wichtigsten Eigentherapien ist: Gehen Sie barfuß!
Bei Einlagen gibt es verschiedene Philosophien. Bei einer kompletten Stabilisation und Unterfütterung in allen Bereichen des Fußes wäre ich zurückhaltend. Aber eine Aufrichtung der Ferse kann zu Anfang hilfreich sein. Durch die passive Unterstützung des gesamten Fußgewölbes sorgen Einlagen allerdings eher für eine weitere Verkümmerung der Muskulatur und der Mobilität in den Fußgelenken. Einlagen sind bei angeborenen und durch z.B. Unfall erworbenen Fußfehlstellungen jedoch oft sehr hilfreich. Hier gilt es, die geeignete Vorgehensweise mit Augenmaß festzulegen.
Welche Fußfehlstellungen gibt es?
Der Knickfuß
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung besitzt diese Fehlstellung. Statt in der Mitte, wird die Ferse auf der Innenseite belastet. Diese Fehlstellung kann häufig schon bei Kindern beobachtet werden, wächst sich allerdings häufig bis zum 6.-7.
Lebensjahr
aus. Danach verändert sich der Fuß gewöhnlich nicht mehr und steift über die Jahre in dieser Position ein. Durch das nach innen Fallen des Fersenbeines tritt hier häufig gleichzeitig eine X-Beinstellung auf, zu erkennen an den nach innen
schauenden
Kniescheiben, wodurch die Kniegelenke falsch belastet werden.
Der Knickfuß eignet sich bestens für eine funktionelle Therapie. Die Ferse dreht aus der Knickfußstellung zurück ins Lot. Wichtigste Übung ist das Fersenlot.
Der Senkfuß/Plattfuß
Ungefähr 20% der Menschen haben einen Senkfuß, d.h. eine mehr oder mindere Abflachung des Längsgewölbes. Das Einknicken des Fersenbeines führt auf Dauer zu einem Abflachen (Senkfuß) bzw. zur gänzlichen Aufhebung (Plattfuß) des Längswölbes. Die Elastizität ist stark vermindert und der Fuß kann nicht weiter funktional abrollen. Wie auch beim Spreizfuß sind die Ursachen: schlechtes Bindegewebe, schlechte Muskulatur, ein schlechter Trainingszustand und Übergewicht. Während ein Senkfuß sehr gut auf konservative Therapien anspricht, ist die vollständige Korrektur eines Plattfußes leider eher eine Seltenheit.

Der Spreizfuß
Das häufigste Fußproblem bei Erwachsenen ist der Spreizfuß. Hier ist das Quergewölbe im Vorfuß abgeflacht bzw. sogar völlig durchgedrückt. Dadurch geht die Stoßdämpferfunktion des Quergewölbes größtenteils verloren und nachfolgende Gelenke werden vermehrt belastet. Der Spreizfuß entsteht gewöhnlich als Folge eines Knick- oder Plattfußes sowie des Tragens von zu hohen Schuhen. Die typischen Risikofaktoren sind ein schwaches Bindegewebe, schwache Muskulatur, Übergewicht und ein schlechter Trainingszustand des Fußes.
Den Spreizfuß könnte man als eine entgleiste Kompensation des Körpers bezeichnen. Durch das Auffächern der Zehen versucht er, die Stabilität im Fuß wieder herzustellen. Durch das nun abgeflachte Quergewölbe kommt es oft zu einer erhöhten Druckbelastung auf die Zehenknöchelchen, diese versucht der Körper mittels Hornhaut vor der Mehrbelastung zu schützen. Leider führen eben diese Schwielen oft zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden.
Da diese Deformität gewöhnlich schleichend zunimmt, bleibt sie oft lang unbemerkt und fällt häufig erst durch das vermehrte Kaufen von ungewohnt breiten Schuhen auf. Viele Patienten sind davor aber bereits von kurzfristen Vorfußschmerzen nach z.B. Wanderungen und beim barfuß Gehen betroffen. Ein regelmäßiges Übungsprogramm kann die Beschwerden deutlich verringern.
Für die Läufer unter den Lesern: Überlassen sie exzessive Trainingseinheiten und Läufe lieber anderen. Ihr Fuß ist für diese Belastung nicht geschaffen. Bedenken Sie, es liegt in der Natur der Sache, dass die Erschöpfung mit der Dauer/Länge des Laufes zunimmt. Zu Anfang sind Sie vielleicht noch gut in der Lage, Ihren korrekten Laufstil beizubehalten und zu kontrollieren. Gegen Ende eines langen Laufes wird es Ihnen jedoch immer weniger, wenn überhaupt, gelingen, die Kontrolle über Ihr Quer- und Längsgewölbe im Fuß zu behalten. Sie laufen sich somit ohne Stoßdämpfer und direkt auf der Felge in zusätzliche Folgebeschwerden → z.B. Achillodynien oder Kniebeschwerden.
Der Hohlfuß
Dieser zeichnet sich durch einen hohen Rist aus. Diese Fußfehlstellung geht häufig mit Krallenzehen einher, durch das Einkrallen der Zehen sorgt der Körper für Stabilität beim Abrollen. Krallenzehen sind übrigens besonders anfällig für die sogenannten „Hühneraugen“. Da unser Fuß aber eine hohe Flexibilität benötigt und ein Merkmal des Hohlfuß die außergewöhnliche Steifigkeit ist, beeinflusst er die Dämpfung der Aufprallenergie beim Gehen negativ, sodass diese sogar verloren gehen kann.
Der Hallux valgus
Der Hallux valgus ist die häufigste Zehendeformität und gewöhnlich die Folge eines Spreizfußes. Zu sehen ist meist eine zur Mitte des Fußes zeigende Großzehe. In weiterer Folge wird häufig die zweite Zehe abgedrängt, sodass die Großzehe über oder auch unter der zweiten Zehe steht. Genauer gesagt, weicht die Großzehe nicht nur nach innen ab, sondern der 1. Mittelfußknochen spreizt sich zu Beginn des Hallux valgus vom 2. Mittelfußknochen zur Körpermitte hin ab und als „Gegenbewegung“ orientiert sich die Großzehe später zur Fußmitte. Der Winkel zwischen dem 1. und dem 2. Mittelfußknochen beträgt gewöhnlich 10°, beim Hallux valgus allerdings 15° und mehr. Durch ein gezieltes Training der lumbrikalen Fußmuskulatur (die kleinen Muskeln zwischen den Mittelfußknochen) kann dem Hallux valgus wirksam entgegen gearbeitet werden.

Der Fersensporn
Der Fersensporn ist eine recht häufige Schmerzursache in der Praxis und z.T. können die Beschwerden recht hartnäckig sein. Sie verschwinden zumeist aber wieder ohne bleibende Beschwerden. Die Ursachen sind, wie so häufig, Bewegungsmangel bzw. ein schlechter Trainingszustand der Fußmuskulatur und chronische Fehlbelastung. Allerdings fällt hier eine deutliche genetische Veranlagung für Sehnenansatzentzündungen auf. Das Mittel der Wahl ist erst einmal Entlastung, Schonung und eine weiche Polsterung des Fußbettes. Unter Umständen ist auch eine medikamentöse Therapie angebracht. Wenn sich Ihr Fuß wieder etwas beruhigt hat, sorgen Sie für eine gute Mobilität des Fußes und umliegenden Gewebes (Sehnen & Faszien), d.h., der Waden und der Plantarfaszie und richten Sie ihr Fersenbein auf. Dehnen Sie außerdem verkürzte Muskeln.
Achillessehnenprobleme (Achillodynie), Fersenschmerzen
Achillessehnenschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden bei Läufern, können aber auch bei nicht-Läufern auftreten. Ursache sind in der Regel Überlastungen oder Fehlstellungen. Übt Ihr Schuh evtl. einen auch nur leichten Druck auf die Achillessehne aus? Haben Sie vielleicht in letzter Zeit die Marke Ihrer Laufschuhe gewechselt? Haben Sie eine längere Wanderung als gewöhnlich unternommen? Anfangs äußern sich die Beschwerden durch einen brennenden Schmerz, eine leichte Verdickung und Druckempfindlichkeit der Sehne. Ein weiteres Training führt zu einem chronischen Verlauf, der sich durch einen Einlaufschmerz und Belastungsschmerz äußert.
Bei akutem Auftreten von Achillessehnenschmerzen sollten Sie also zuerst die Belastung reduzieren. Sie können z.B. vom Laufen auf das Rad umsteigen. Sollte ein Arzt Ihnen eine entzündungshemmende Cortisonspritze in die Sehne anbieten, verlassen Sie bitte fluchtartig (so schnell Sie halt noch können) seine Praxis. Wir haben 2018 und die Ärzte tragen eigentlich keine Schnabelmasken mehr.
Da sehr häufig die Wadenmuskulatur verkürzt oder zumindest weniger elastisch ist, helfen hier sehr gut exzentrische Dehnungen, wie z.B. die Turmspringerübung. Einfache passive Soleus- bzw. Gastrocnemiusdehnungen sind weniger effektiv. Weiters gilt es, an einer eventuellen Fußfehlstellung zu arbeiten. Das kann sowohl die Aufrichtung des Fersenbeines bei einem Knickfuß sein als auch der Aufbau eines Längsgewölbes.
Fazit
Fußfehlstellungen rühren gewöhnlich von einer chronischen Fehlbelastung her. Als Fausregel gilt: chronischen Beschwerden ist chronisch zu begegnen. Konservative Therapien durchgeführt mit Ausdauer und Disziplin sind meistens erfolgversprechender als Operationen. Eine durch eine schwache Muskulatur ausgelöste Fußfehlstellung lässt sich nicht durch ein paar simple Schnitte an Muskeln oder Knochen beheben. Die dafür verantwortliche Muskulatur wird dadurch jedenfalls nicht stärker. So wundern Rezidive nicht.
Tipps für die Freizeit:
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Barfuß im Sand gehen (nutzen Sie die Sandkiste der Jüngsten im Garten oder einen Spielplatz in Ihrer Nähe).
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Gehen Sie barfuß auf unebenen Untergründen, z.B. bei einem Waldspaziergang oder Barfuß-Wanderpfade. Aber nicht übertreiben! Sachte anfangen und steigern. Unsere Füße sind durch das jahrelange Gehen im festen Schuhwerk recht schnell überstrapaziert.
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Lassen Sie die Pantoffeln Pantoffeln sein. Gehen Sie barfuß oder kaufen Sie sich Socken mit einer rutschfesten Sohle für Zuhause.
